Theoretische Analyse
des Boltzmann-Stoßterms der kinetischen Theorie
und Berechnung von Transportkoeffizienten
 

R. Klages, Diplomarbeit, TU Berlin
Zusammenfassung

Sowohl bei der Herleitung als auch bei der Lösung der Boltzmann-Gleichung bereitet stets der Boltzmann-Stoßterm, der den Einfluß von 2-Teilchen-Stößen auf die Änderung der aus der Boltzmann-Gleichung zu berechnende Nichtgleichgewichtsverteilungsfunktion beschreibt, die erheblichsten Schwierigkeiten. Allerdings ist gerade er ein Objekt von hohem physikalischen Interesse, wie z.B. das berühmte H-Theorem zeigt, das auf den Eigenschaften des Boltzmann-Stoßterms beruht und nach seiner Veröffentlichung durch Boltzmann heftige Diskussionen ausgelöst hat. Seitdem ist es immer wieder Anlaß für theoretische und experimentelle Untersuchungen und z.T. sogar für neue, ebenfalls kontrovers diskutierte Theorien gewesen. Doch nicht nur Physiker interessieren sich für die Boltzmann-Gleichung; selbst in wissenschaftstheoretischen Kreisen ist die kinetische Theorie Boltzmanns wieder zunehmend Gegenstand von Diskussionen geworden.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich im wesentlichen mit der klassischen Boltzmann-Gleichung, wie sie für einfache Fluide geringer bis mittlerer Dichte konzipiert ist. Im Mittelpunkt des Interesses stehen der diese kinetische Gleichung bestimmende Boltzmann-Stoßterm und seine Aufschlüsselung zur Berechnung von Transportkoeffizienten im Nichtgleichgewicht.

Das erste Kapitel behandelt den ersten Teil der im Titel dieser Arbeit angegebenen Problematik. In einer theoretisch-physikalischen Analyse soll die Korrelation zwischen mikroskopischer Dynamik und makroskopischen Transportkoeffizienten über den Boltzmann-Stoßterm bzw. aus ihm resultierende Größen als Bindeglied studiert werden. Dabei wird einer spezielle Klasse von Streuprozessen, den sogenannten `orbiting collisions', besondere Beachtung geschenkt, und es wird überprüft, inwieweit sich ein Einfluß derartiger nichtlinearer Phänomene bei Herleitung und Lösung der Boltzmann-Gleichung nachweisen läßt.

Der zweite Teil dieser Arbeit hat die Lösung der Boltzmann-Gleichung zur Berechnung von Spektralfunktionen und verallgemeinerten, sogenannten effektiven Transportkoeffizienten zum Inhalt. Erstmals wird ein spezielles Variationsverfahren durchgeführt, um im Fall von Neutronenstreuung Spektralfunktion und effektiven Diffusionskoeffizienten für einfache Fluide höherer Dichte zu berechnen. Dieses neue Verfahren zur Lösung der Boltzmann-Gleichung wird in der vorliegenden Arbeit verbessert; seine Güte wird nicht nur durch Vergleich mit älteren, arrivierten Methoden überprüft, sondern seinen Resultaten werden auch Daten aus Neutronenstreuexperimenten gegenübergestellt.